Trinitatis – Die festlosen Tage

Liebe Gemeinde,

Wenn wir einen Blick auf den Kirchenkalender werfen, können wir sehen, dass das Kirchenjahr grob in zwei Teile geteilt ist. Der eine Teil ist von Advent bis Pfingsten und der andere sind alle Sonntage nach Pfingsten, (oder wie wir sie kennen, die Sonntage nach dem Trinitatissonntag) bis zum Ewigkeitssonntag. Wahrscheinlich ist uns allen aufgefallen, dass die eine Hälfte voll von kirchlichen Festen ist, während die andere Hälfte vielleicht nur zwei oder drei hat (zum Glück fallen unsere Reformations- und unsere Synode Jubiläen in die zweite Hälfte, sonst hätten wir wohl nur das Missionsfest in der zweiten Hälfte des Kirchenjahres zu feiern).

Das ist kein Zufall, und wir können auch nicht sagen, dass Gott nur halbjährlich wirkt und deshalb alle Feste nur in einer Jahreshälfte stattfinden. Nein, dieses ist eine sehr praktisch-menschliche Erfindung. Denn abgesehen von Ostern (und damit auch von Christi Himmelfahrt und Pfingsten) sind uns die genauen Daten, an denen bestimmte Ereignisse (z. B. Weihnachten) stattfanden, nicht bekannt. Der Grund, warum alle Feste in einen Teil des Jahres gelegt wurden, war ein rein praktischer. Während in der einen Hälfte des Jahres auf dem Bauernhof sehr viel los war, ging es nach der Ernte etwas ruhiger zu, vor allem im Winter (Zur Klarstellung: Der neue Pastor will damit nicht sagen, dass die Farmer in dieser Zeit nichts tun, sondern nur, dass es nur im Vergleich etwas ruhiger ist). Deshalb fielen auch die meisten dieser Feste in diese ruhigere Zeit. Auch wenn die meisten Menschen nicht mehr an den landwirtschaftlichen Kalender gebunden sind, hat sich diese Tradition in unserer christlichen Lebensweise, unabhängig von der Konfession, lange und stark erhalten.  Selbst hier in Südafrika, wo wir auf der Südhalbkugel leben, feiern wir Weihnachten immer noch im Dezember obwohl die viele Weihnachtslieder nicht so schön mehr passen.

Es ist jetzt etwa einen Monat her, dass ich hier in Wittenberg angefangen habe. Eine Zeit, die eigentlich zu dem „langsamen und weniger aufregenden“ Teil des Kirchenjahres gehören sollte. Da ich nach dem Trinitatissonntag angefangen habe, hätte es eine ganz normale Zeit sein sollen. Eine Zeit, in der ich mich langsam hätte einleben und mich an das Pastorendasein gewöhnen können, bevor die kirchlichen Feierlichkeiten im Advent beginnen.

Das zeigt mir aber, wie viel ich noch zu lernen habe. Denn unser Kirchenjahr ist zwar zweigeteilt, aber das bedeutet keineswegs, dass wir eine weniger spannende Zeit im Jahr haben. Wir haben keine „normale“ Zeit in unserem Kirchenjahr. Wie sollten wir auch? Was sich in unserer Kirche abspielt, egal zu welcher Jahreszeit, ist alles andere als normal. Wir stehen nicht nur in direkter Verbindung mit dem lebendigen Gott, der das ganze Universum erschaffen hat, sondern wir erhalten auch das ganze Jahr über immer wieder wunderbare und großzügige Gaben von ihm, besonders in der Kirche. Vielleicht sollten wir also aufhören, das Kirchenjahr in zwei Teile zu unterteilen. Vielleicht sollten wir es einfach als ein einziges großes Fest sehen. Denn jeden Sonntag feiern wir Weihnachten, die Tatsache, dass unser Herr und Retter auf diese Erde gekommen ist. Jeden Sonntag feiern wir die Fastenzeit, in der wir darüber meditieren, dass wir vollkommene Sünder sind. Jeden Sonntag feiern wir Gründonnerstag und essen und trinken das Blut und Fleisch unseres Erlösers. Jeden Sonntag feiern wir Ostern, die Tatsache, dass unser Gott gestorben ist, aber nicht tot geblieben ist. Jeden Sonntag feiern wir Pfingsten, die Tatsache, dass wir auf unserer Reise nicht allein sind, sondern dass Gott selbst uns hilft.  Jeden Sonntag feiern wir Advent und Ewigkeitssonntag in geduldiger Erwartung, dass unser Messias wiederkommt. In diesem Sinne wünsche ich euch allen eine festliche Trinitatiszeit.

Mit freundlichen Grüßen

Pastor Werner Straeuli