Liebe Gemeinde, ich fühle mich veranlasst, ein Thema anzusprechen, das jedes menschliche Herz berührt und in unseren jüngsten Erfahrungen besonders viel Widerhall gefunden hat: das Leiden.
Es ist ein unausweichlicher Teil unserer irdischen Existenz, und wir alle haben es in Form von Krankheit, Verlust und Trauer erlebt. In diesen Momenten werden wir an die Zerbrechlichkeit des Lebens und die Tiefe unserer emotionalen und geistigen Kämpfe erinnert. Aber wir finden es oft schwierig, die Überschneidung von Leiden und Glauben zu bewältigen. Wir wissen vielleicht, dass das Leiden zum Leben gehört, aber wie sollen wir als Christen damit umgehen und darauf reagieren? Dein Wort, ist meines Herzens Freude und mein Trost Jeremia 15,16 Und leider haben wir viel zu oft eine wunderbare Ressource vergessen, die Gott selbst uns gegeben hat.
Wir wollen den Schmerz ignorieren oder uns einreden, dass alles gut wird, aber diese Antworten helfen nicht, wenn wir wirklich leiden. Angesichts einer unheilbaren Krankheit oder des Todes eines geliebten Menschen können wir nicht einfach ignorieren, was wir fühlen. Leider haben wir in unserem Eifer, Trost zu finden, ungewollt eine tiefe Quelle des Trostes übersehen, die Gott uns zur Verfügung gestellt hat: die Klagepsalmen. Diese Psalmen lehren uns nicht, unseren Schmerz zu unterdrücken oder eine Fassade der unerschütterlichen Stärke aufzusetzen.
Stattdessen laden sie uns ein, uns unseren Gefühlen zu stellen, uns mit unseren Fragen auseinanderzusetzen und unseren Kummer direkt vor Gott zu bringen. Die Schönheit dieser Psalmen liegt in ihrer Ehrlichkeit. Sie geben uns die Erlaubnis, zu schreien, zu ringen und sogar mit Gott zu streiten. Sie lehren uns, dass unser himmlischer Vater dem Leiden nicht fern steht, sondern durch Christus selbst in das Leiden hineingegangen ist.
In unseren dunkelsten Momenten sind wir nicht allein; wir haben einen Erlöser, der uns versteht, der uns in unserem Schmerz zur Seite steht und der uns einlädt, unser Herz vor ihm auszuschütten.
Als Christen haben wir eine einzigartige Perspektive auf das Leiden. Es ist nicht nur ein Merkmal der menschlichen Existenz, sondern eine Dimension unseres Glaubensweges. Unser Erlöser, Jesus Christus, hat in einem Maße gelitten, das wir nicht verstehen können. Wenn wir uns an die Kreuzigung erinnern, hören wir die eindringlichen Worte, die ihm über die Lippen kamen: “Eli, Eli, lema sabachthani?” – “Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?”
Diese Worte spiegeln die Schreie des Psalmisten wider und schließen die Lücke zwischen unserer menschlichen Angst und der göttlichen Antwort. Wenn wir also über die jüngsten Prüfungen nachdenken, mit denen wir konfrontiert waren, und über das Leid, das unser Leben berührt hat, sollten wir uns daran erinnern, dass unser christlicher Glaube einen bemerkenswerten Weg bietet, um unseren Schmerz zu verarbeiten.
Die Klagepsalmen sind nicht nur uralte Verse; sie sind ein lebendiges Zeugnis dafür, dass Gott unser ganzes Selbst begehrt, auch die zerbrochenen und verletzenden Teile. Durch sie können wir einen Weg finden, unser Leid in eine tiefere Verbindung mit Gott zu lenken, eine Verbindung, die den Schmelztiegel menschlicher Erfahrung anerkennt und gleichzeitig die Verheißung von Erlösung und Erneuerung festhält. Mögen wir uns auf diese Worte der Klage stützen und uns von ihnen durch die stürmische See des Leidens führen lassen.
Mögen wir auf unserem gemeinsamen Weg den Gott neu entdecken, der vor unserem Schmerz nicht zurückschreckt, sondern uns in unserer Verletzlichkeit umarmt und uns zu Heilung, Hoffnung und der Verheißung der Auferstehung führt. Pastor Werner Straeuli