Lieber Brüder und Schwestern! In der Passionszeit erinnern wir uns an dem Leiden und Sterben unseres Heilands Jesus Christus.
In der Geschichte der lutherischen Kirche wird dieser Zeit mit tiefem Ernst gefeiert. In dieser Zeit ist es auch die Sitte der lutherischen Kirche Passionsgottes-dienste zu halten. Was aber ist der Grund, dass wir es in der Tradition unserer lutherischen Kirche und unserer Synode so handhaben? Warum legen wir auf die Passionszeit ein solches Gewicht, während die Reformierten die Pfingstzeit, die Ausgießung des Heiligen Geistes mit großem Ernst feiern und in der Ostkirche die Auferstehung Christi das große Fest ist?
Sind wir als Lutheraner zu pessimistisch, wenn wir das Leiden Christi mit solchem großen Ernst nachdenken? Das mag auf dem ersten Augenblick so erscheinen, als ob das zutreffen könnte. Wenn wir aber über den Sinn dieser Tradition nachdenken, dann ergibt sich durchaus ein tiefer Sinn. Wenn wir die Passionsgesänge unserer lutherischen Kirche mit Bedacht lesen, dann ergibt der Sinn sich von selbst. Unser Liederdichter haben durch tiefes Nachdenken und Meditieren über dem Leiden Christi es sich zu eigen gemacht und verinnerlicht. Zum einen haben sie das Leiden Christi beschrieben und veranschaulicht und dann die Ursache dieses Leidens mit großen Ernst in ergreifenden Worten geschildert. Wir wählen einige Beispiele um dieses mit aufzuzeigen.
Eines wünsch ich mir vor allem anderen,
Eine Speise früh und spät;
Selig läßt im Tränental sich wandern,
wenn dieses Eine mit uns geht.
Unverrückt auf Einem Mann zu schauen,der mit blutgem Schweiß und Todesgrauen,
auf sein Antlitz niedersank
und den Kelch des Vaters trank.Wer hat dich so geschlagen,
mein Heil und dich mit Plagen
so übel zugericht?
Du bist ja nicht ein Sünder
Wie wir uns unsere Kinder
Von Übeltaten weißt du nicht.Ich, ich und meine Sünden,
die sich wie Körnlein finden
des Sandes an dem Meer,
die haben dir erreget
das Elend das dich schläget
und das betrübte Marterheer.
Das ist der Sinn, dass wir die Passionszeit als Lutheraner so ernst nehmen, darum verzichten wir auf Hochzeiten und Feiern in der Passionszeit, wenn dieses irgendwie möglich ist. Nicht aus gesetzliche Enge, sondern aus tiefer Ehrfurcht vor dem Leiden Christi unseres Heilands. Die Leidenszeit und der Tod Christi zeigen uns die unermeßliche Liebe Gottes, in der er seinen eignen Sohn es nicht erspart hat für uns zu sterben.
Siehst du und verstehst du jetzt, warum es der lutherischen Kirche und unserer Synode die Leidenszeit Christi so wichtig und so ernst ist? Gewiß dürfen wir von den Reformierten lernen, die Ausgießung des Heiligen Geistes sehr ernst zu nehmen und von der Ostkirche dürfen wir lernen das Auferstehungsfest Christi mit noch größerer Freude und Ernst zu betonen und feiern. Sie dürfen von uns lernen wie wichtig und groß das Leiden Christi ist, mit dem er uns erlöst hat. Wir dürfen von unseren Liederdichtern lernen, wie wir das Leiden Christi uns persönlich aneignen können.
Und auch wie wir es uns verinnerlichen können. Liest in dieser Passionszeit, wenn ihr Zeit dazu habt, mit großer Andacht die Leidensgeschichte Christi und mit tiefer Hingabe auch die Gesänge, dann wird die Leidenszeit Christi zum Segen und zum Gewinn werden. Das schenke Gott einen jeden von uns. Euer Louis Engelbrecht