Louis Seite – Ein Rätsel – Als Mattthias Claudius, der fromme Wandsbecker Bote, der in der glaubensarmen und wissenstolzen Zeit sich nicht scheute, in aller Einfalt Frisch und fröhlich seinen Heiland zu bekennen, dem Tode nahe war, lag er stundenlang mit gefaltenen Händen, still sinnend auf seinem Lager, ein leises Lächeln spielte um seine Lippen, und ab und zu schüttelte er wie in stiller Verwunderung den Kopf.
Seine Tochter, die Frau des Buchhändlers Perthes in Hamburg, die ihn mit teuerster Kinderliebe pflegte bemerkte es. Sich zu ihm niederbeugend, forschte sie, was ihn denn so innerlich beschäftigte… – Einen Augenblick blickte Claudius mit weitgeöffneten Augen in die Ferne als gelte es, eine neue wunderbare Welt zu schauen. Dann wandte er sich mit unaussprechliche Freundlichkeit an seine Tochter: Sieh, liebes Kind,” sagte er, “so viele Jahre, ja mein ganzes Leben habe ich über den Tod nachgedacht, habe seine Rätsel zu lösen versucht und habe ihn meinen besten Freund genannt.
Und nun wo er die Hand schon nach mir ausstreckt, wo ich im Begriffe bin den Schleier zu heben, nun ist er mir noch so rätselhaft und unverständlich. Ich weiß nicht, wie und was er ist. Kann mir’s auch nicht denken, wie und was er ist. Weiß auch nicht wie mir sein wird, wenn er mich nun mit sich nimmt. O wie freue ich mich, dass ich dieses Rätsel nun bald lösen werde!” Wie er zu solcher Freude im Angesicht des Todes gekommen ist?
Er mag’s nun sagen. – “Wenn einer den Herrn Christus lieben mag,” so schreibt er an einen Freund. ‘Ich und du wir beider können das nicht. Wir brauchen einen, und der uns einmal die Hand unter den Kopf legt, wenn’s an’s Sterben geht. Und das kann Er. – Christus überschwenglich tun und ich wüßte von keinen, von dem ich’s lieber hätte.” Ja, wer so ins Sterben geht, für den hat das Todesrätsel gewiss die allerseligste Lösung. Jung Stilling prägte das Wort: “Selig sind die Heimweh haben, denn Gott wird sie nach Hause bringen – holen”.
Das wird Er auch weil Er true ist und sein Wort halt. 8 Ein Philosoph schrieb: “Rätsel können wir enträtseln, Geheimnisse nicht.” So ist es auch mit dem Tod. Er ist für uns ein undurchdringliches Geheimnis. Die Kraft das große Geheimnis des Todes zu ertragen, kann uns Gott nur durch seinen Heiligen Geist schenken. Du und ich, wir können das nicht, nur Gott vermag es in seiner großen Gnade. Ja, bitter ist der Tod, süß aber ist uns Christen das Wissen, dass Christus den Tod überwunden hat und uns das Leben und die Seligkeit erworben hat.
Christus hat “dem Tod die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Ebangelium.” 2. Tim. 1,10 “Er ist uns die Auferstehung und das Leben, wir gehören ihm im Leben und im Sterben und werden auch mit ihm zum ewigen Leben in seiner Herrlichkeit auferstehen. Aus diesem Grunde ist Christus uns das Leben und ist das Sterben unser Gewinn.” Joh. 10,25-26
Wir haben im Leben und im Sterben diese feste Gewissheit, dass unser Heiland lebt und wir und keine Fremden werden ihn mit unseren eigenen Augen sehen. Euer Louis Engelbrecht O, Abgrund welcher alle Sünden durch Christi Tod verschlungen hat! Das heißt die Wunde recht verbinden, da findet kein Verdammen statt, weil Christi Blut beständig schreit: Barmherzigkeit, Barmherzigkeit!
Darein will ich mich gläubig senken, dem will ich mich getrost vertraun und, wenn mich meine Sünden kränken, nur bald nach Gottes Herzen schaun; da findet sich zu aller Zeit unendliche Barmherzigkeit. Bei diesem Grunde will ich bleiben, solange mich die Erde trägt; das will ich denken, tun und treiben, solange sich ein Glied bewegt; so sing ich einstens höchst erfreut: O, Abgrunb der Barmherzigkeit! Gesang 291