Der sonntägliche Gottesdienst

Albert ist am Sonntag früh auf. Obwohl er eine sehr anstrengende Woche hinter sich hatte und ziemlich ausgelaugt ist, hat er sich aus dem Bett gemacht und unter die Dusche gestellt. Danach hat er seine Frau und die drei Kinder geweckt und eine CD mit „Sonntagsmusik“ aufgelegt.

Welch ein besonderer Tag wartet auf ihn, denkt er, während er seinen ersten Schluck Kaffee trinkt und mit Schlips und Anzug gekleidet aus dem Fenster der Stube in den Garten guckt.

Die ganze Woche war er unter Druck. Vor allem bei der Arbeit! Er musste sich als fähiger Accountant beweisen. Noch immer, obwohl er nun schon über fünf Jahre bei der Firma ist. Früh war er in seinem Büro und arbeite bis spät. Kam er dann nach Hause, so wartete die Familie. Er nahm sich Zeit für seine Kinder, half bei Hausaufgaben und lernte mit ihnen aus dem Kleinen Katechismus. Blieb da eigentlich noch Zeit für ihn und seine Frau? Fernsehgucken haben sie sich inzwischen in der Woche abgewöhnt, weil sie meinten, hier könnten sie sich am leichten mehr Zeit freischaufeln. Und doch blieb das Leben ein stetes Gejage und Gehetze!

Gestern waren sie beim Kricketspiel seines jüngsten Sohnes. Wie stark war nicht auch hier der Leistungsdruck. Er spürte ihn mehr als sein Sohn, dachte er. Überall musste man sich als fähiger Held vor anderen beweisen, als einer, der alles zu jeder Zeit unter guter Kontrolle hat, der das Leben in allen Bereichen meistert. Und sei es auch nur durch den Erfolg der Kinder, die das schaffen, was man selber nicht konnte.

Darum lasst uns freimütig hinzutreten zu dem Thron der Gnade, auf dass wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden und so Hilfe erfahren zur rechten Zeit“ – Hebr 4,16

Dann war da auch Social Media! Man musste stets mit Freunden aus aller Welt vernetzt bleiben, mit der Familie, Großfamilie. Fotos posten, kluge und weise Kommentare von sich geben, lesenswerte Blogpost linken und liken und dabei stets das beste Bild nach außen strahlen.

Er war müde! Einfach ein freier Tag, das wäre schön. Ein bisschen Pause. Ein langer Urlaub. Weit weg! Raus aus allem! Oder Ruhestand—noch 23 Jahre!

Zugleich wusste er, das war nicht, was er wirklich brauchte. Nein, was er brauchte, das würde er bald empfangen. Geschenkt. Umsonst. Er würde bald vor dem erscheinen, der sein ganzes Leben haargenau kennt. Wenn es einer gab, vor dem er eigentlich unter Leistungsdruck stehen sollte, dann vor diesem, vor seinem Schöpfer. Vor diesem müsste er verstummen und vor dem Thron des Gerichts sein schlimmes Urteil hören: Geh weg von mir, du bist mir ein Ärgernis, du unnütze Knecht!

Aber das würde nicht der Fall sein! Nein! Denn er hatte einen Fürsprecher, Jesus Christus. Dieser hatte doch für alles bezahlt! Der Sohn Gottes hatte sein Leben dahingegeben zum Opfer für Sünder. Und daher konnte er heute hinzutreten. Freimütig. Vor dem Thron der Gnade. Welch eine Hilfe! Welch eine Rettung!

Israel hatte damals Zugang zum Gnadenthron einmal im Jahr. Am Versöhnungstag. Da erschien aber nicht das ganze Volk vor diesem Thron der Gnade, sondern nur der Hohepriester. Nur er konnte hinzutreten in das Allerheiligste. Und dass auch erst, nachdem er selbst durch die von Gott gegebenen Gnadenmittel reingemacht wurde.

Heute darf er durch Jesus Christus freimütig vor Gott erscheinen. Er wird das Allerheiligste betreten können, vor dem Gnadenthron knien und Christus selbst mit seinem Mund empfangen können. Als ein Bettler, dem Gott nichts zu geben schuldig ist, wird er reichlich empfangen—Mir ist Erbarmung widerfahren!  Als ein Schuldner und Übeltreter wird er nicht Strafe und Tod, sondern Gnade finden, Vergebung, ewige Seligkeit wird ihm erneut zuteilwerden. In seiner Not, wird ihm zur rechten Zeit geholfen sein.

Und nicht nur für sich selbst wird er da in diesem Gottesdienst empfangen. Sondern für die, die seine Nächsten in der kommenden Woche sein werden, seine Frau, seine Kinder, seine Arbeitskollegen, seine Freunde, zufällige Begegnungen mit Bekannten oder mit Fremden. Für diese wird er auch vor dem Gnadenthron erscheinen und reichlich empfangen, damit er reichlich austeilen kann: Barmherzigkeit und Gnade und Hilfe.

  1. Großer Gott von allen Zeiten, dessen Hand die Welt regiert,

Dessen Treu auf allen Seiten mich von Jugend auf geführt,

Heute weckt des Tages Lauf mich zu lauter Andacht auf.

 

  1. Ach wie lieb ich diese Stunden, denn sie sind des Herren Fest,

Das mit so viel Trost verbunden, da mein Gott mich ruhen lässt

Und durch seinen guten Geist mir den Weg zum Leben weist.

 

  1. Habe Dank für diesen Morgen, der mir Zeit zum Guten schenkt;

Das sind unsre besten Sorgen, wenn der Mensch an Gott gedenkt

Und von Herzen bet’ und singt, dass es durch die Wolken dringt.

 

  1. Was ist schöner als Gott dienen, was ist süßer als sein Wort,

Da wir sammeln wie die Bienen und den Honig tragen fort?

Selig ist, wer Tag und Nacht also nach dem Himmel tracht’.

 

  1. O mein Gott, sprich selber Amen, denn wir sind dein Eigentum.

Alles preise deinen Namen, alles mehre deinen Ruhm,

Bis es künftig wird geschehn, dass wir dich im Himmel sehn.

 

(Kaspar Neumann 1700, Lutherische Gesangbuch, Nr. 6)

 

Mit herzlichen Grüßen,

Euer Pastor Helmut Paul